Vertrauen und Verlässlichkeit sind für Barbara Zollmann, Vorstandsmitglied der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (DUIHK) mit mehr als 900 Mitgliedern, die nach Stationen in den USA und Korea im Juli 2021 nach Ungarn kam, die Eckpfeiler des Geschäftslebens.
– Wie sehen Sie als erfahrener Wirtschaftsdiplomat die weltwirtschaftliche Lage, die Herausforderungen und die Rolle der deutschen Unternehmen darin?
Vertrauen ist eine der wichtigsten Grundlagen für langfristig erfolgreiche Geschäftsbeziehungen
– Die Weltwirtschaft steht heute vor mehreren Herausforderungen. Die Covid Epidemie wirkt sich immer noch negativ auf die Wirtschaft aus, und der Klimaschutz und die nachhaltige Landwirtschaft zwingen ganze Wirtschaftszweige zum Wandel. Es herrscht ein harter globaler Wettbewerb um die Märkte und hochqualifizierte Arbeitskräfte, und Deutschland ist sehr eng in internationale Liefer- und Wertschöpfungsketten eingebunden – was auch für Ungarn gilt. Dies bietet enorme Geschäftsmöglichkeiten für innovative und agile Unternehmen, wenn die nationalen und EU-Wirtschaftspolitiken das richtige Geschäftsumfeld schaffen.
– Was ist der wichtigste Punkt in Ihrer Ars Poetica, der die bilateralen Beziehungen in der Wirtschaft fördern kann?
– Ich glaube, daß Vertrauen eine der wichtigsten Grundlagen für erfolgreiche langfristige Geschäftsbeziehungen ist – nicht nur zwischen Unternehmern, sondern auch zwischen Ländern. Deutschland und Ungarn haben über Jahrzehnte, Jahrhunderte hinweg ein starkes gegenseitiges Vertrauen aufgebaut – wir sehen das in der täglichen Arbeit der Kammer. Darauf bauen wir, wenn wir uns um die Weiterentwicklung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen bemühen und wenn wir ungarische und deutsche Unternehmen bei konkreten Projekten beraten und betreuen.
– Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Erwartungen deutscher Unternehmen, die darüber nachdenken, in den ungarischen Markt einzutreten, sich in Ungarn niederzulassen oder weiter zu investieren?
– Für deutsche Unternehmen, die auf der Suche nach Geschäftskontakten in Ungarn sind, ist die Zuverlässigkeit der potentiellen Partner eine sehr wichtige Erwartung – als Produzent, als Käufer oder als Investitionspartner. Für Investoren sind auch die Entwicklung des Arbeitsmarktes, wie z. B. die Qualifikationen der Arbeitnehmer, die Verfügbarkeit von Fachkräften, das Kostenniveau und die Arbeitsproduktivität sowie die Qualität der Bildungs- und Ausbildungssysteme, von größter Bedeutung. Darüber hinaus spielen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, von der Besteuerung bis zur Rechtssicherheit, eine wichtige Rolle.
– Was muß ein ungarisches Unternehmen Ihrer Meinung nach tun, um in seinen Lieferantenbeziehungen erfolgreich zu sein?
es zeichnet sich zunehmend durch höhere Wertschöpfung und Kooperation für Nachhaltigkeit aus
– Zuverlässigkeit ist auch für die Zuliefererpartner sehr wichtig. Das bedeutet nicht nur Liefertermine, sondern vor allem auch die kontinuierliche Gewährleistung der Qualität. Je weiter ein Lieferant voranschreitet, desto wichtiger ist es, nicht nur die eingegangenen Aufträge zu erfüllen, sondern sich gemeinsam mit dem Kunden ständig weiterzuentwickeln und die eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten proaktiv auszubauen, um dem Kunden neue Produkte und Lösungen anzubieten. So bringt beispielsweise die Deutsch-Ungarische Handelskammer im Rahmen von Kooperationsbörsen oder Messen regelmäßig Einkäufer deutscher Konzerne mit potenziellen ungarischen Lieferanten zusammen, damit sie in direkten Verhandlungen die gegenseitigen Anforderungen und Möglichkeiten kennenlernen können.
– Sie sind erst seit kurzer Zeit im Amt. Welche Erfahrungen haben Sie als Geschäftsführer einer der wichtigsten Kammern bisher gemacht und welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
– Während meiner ersten vier Monate in Budapest traf ich viele deutsche und ungarische Unternehmensleiter und Wirtschaftspolitiker und lernte viel über das Land und die ungarisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen. Ich habe festgestellt, daß zwischen den beiden Ländern und ihren Unternehmen sehr enge wirtschaftliche Beziehungen bestehen und die Zusammenarbeit sich zunehmend auf eine höhere Wertschöpfung und Nachhaltigkeit konzentriert. Letzteres möchte ich in meiner Arbeit noch stärker betonen, indem ich zum Beispiel Themen wie die Digitalisierung oder die grüne Wirtschaft aufgreife, aber natürlich werden wir auch unsere Bemühungen zum Beispiel im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung fortsetzen, in dem die Kammer seit fast drei Jahrzehnten sehr intensiv und erfolgreich tätig ist.
Zoltán M. Érsek